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- Plastik/Installation
1958 sagte der chinesische Staatsführer vier Plagen den Kampf an. Darunter Spatzen, die er für Schädlinge hielt, die die Ernte vernichteten. Die Bevölkerung wurde aufgerufen Lärm zu machen, um die Tiere aufzuschrecken, sie in der Luft zu halten, sodass sie schließlich vor Erschöpfung vom Himmel regneten. Die Folgen waren verheerend: zwei Milliarden Tiere kamen um. Mit ihrer Abwesenheit hatten jedoch die Heuschrecken keine Fressfeinde mehr, vermehrten sich ungebremst und fielen über die Felder her. Eine Hungersnot war die Folge, der 45 Millionen Chinesen zum Opfer fielen. Katja Jaroschewski thematisiert diese Episode – um im Bild zu bleiben – menschlicher Umnachtung, in dem Stillleben „Unser täglich Brot“ und im „Spatzenteppich“. In ersterem zeigt sie Geräuschmacher, die genutzt wurden, um die Spatzen vom Himmel zu holen. Darauf zitiert sie ein Gedicht von Guo Moruo aus dieser Zeit: „Spatz, du bist ein Mistvogel, ein Verbrecher seit Tausenden Jahren. Heute rechnen wir mit dir ab.“ Ein fast zynischer Kommentar scheint der Teller. Darauf zu sehen ist eine Zeichnung eines an Hunger gestorbenen Menschen, der aus Verzweiflung Gras aß, das noch aus seinem Mund ragt. Der Rand des Tellers ist mit dem Zitat aus dem „Vater unser“ „Unser täglich Brot“ verziert. Es war der Glaube an Maos Weisheit, der die Menschen zu solchen Taten bewog und mit aller Wucht zurückschlug. Der Spatzenteppich wie auch die Becken aus dem Stillleben zieren Tusche-Zeichnungen, die die Künstlerin zuvor angefertigt hat. Diese wurden mittels Umdruckverfahren auf die Keramik aufgebracht. Wobei der Teppich durch Cyanotypie – auch Eisenblaudruck genannt – bebildert wurde. Hierfür sind die Zeichnungen auf den fotosensibel-gemachten Untergrund übertragen worden. Der Ton als Ausgangsmaterial für die Keramik ist ein Stoff, der wie kein anderer unmittelbar verbunden ist mit Natur, schließlich ist Ton die Erde selbst. Umweltzerstörung und von Menschen verursachte Katastrophen in diesem Material zu verarbeiten, liegt deshalb nah. Das Material bekräftigt die Aussage. Zugleich ordnet sich die Materialästhetik den Formen unter. Katja Jaroschewski betont damit ihren – auch mit Humor versehenen – kritischen Blick und mahnt zur Achtung der Erde.
Text: Andrea Karle, Weimar, 2023
Text: Andrea Karle, Weimar, 2023
Die Arbeit Was war, was ist, was wird (2021) gleicht einer archäologischen Fundstätte.
Ganz vorsichtig hat man sich hier scheinbar der Ausgrabung von Überresten einer Party
gewidmet. Die unterschiedlichen Fragmente, die von vergangener Ausgelassenheit zeugen,
sind nun zwar freigelegt worden – behalten aber dennoch ihre Distanz zum Heute. Zum
einen entziehen sich die Objekte aus Ton, inklusive des anachronistischen
Rundfunkgerätes, mittels ihrer eingeschränkten Farbpalette sowie den bewusst stilisiert
gehaltenen figurativen Zeichnungen darauf, einer zeitlichen Einordnung. Zum anderen
konfrontieren sie uns aber auch mit einer kulturellen Praxis, die wir uns nach dem Ende der
Pandemie und den damit verbundenen Ver- und Geboten erst wieder aneignen müssen:
das sorglose Erleben in der Gemeinschaft. (Susanne Schwertfeger)
Ganz vorsichtig hat man sich hier scheinbar der Ausgrabung von Überresten einer Party
gewidmet. Die unterschiedlichen Fragmente, die von vergangener Ausgelassenheit zeugen,
sind nun zwar freigelegt worden – behalten aber dennoch ihre Distanz zum Heute. Zum
einen entziehen sich die Objekte aus Ton, inklusive des anachronistischen
Rundfunkgerätes, mittels ihrer eingeschränkten Farbpalette sowie den bewusst stilisiert
gehaltenen figurativen Zeichnungen darauf, einer zeitlichen Einordnung. Zum anderen
konfrontieren sie uns aber auch mit einer kulturellen Praxis, die wir uns nach dem Ende der
Pandemie und den damit verbundenen Ver- und Geboten erst wieder aneignen müssen:
das sorglose Erleben in der Gemeinschaft. (Susanne Schwertfeger)
Die Entwicklung und Nutzung von Werkzeug zur Erleichterung oder Ermöglichung von
Handlungen ist ein grundsätzliches Kennzeichen der menschlichen Kultur. Jedes Zeitalter besitzt
typische Utensilien, deren Einsatz in direkter Beziehung zu relevanten Herausforderungen und
Entwicklungen steht. Auch für die Phase der Pandemie können wir solche Objekte identifizieren.
Dazu gehört nicht nur medizinisches Gerät, sondern auch Dinge, die uns im neu organisierenden
Alltag helfen können. Das Pandemische Werkzeug setzt genau in der sensiblen Zone der sozialen
Isolation an: Mit pastell-bunten Gerätschaften soll hier das scheinbar Unvereinbare, nämlich
Abstandhalten vs. körperliche Verbindung aufnehmen, ermöglicht werden. Je ein Griff an den
beiden Enden eines elastischen Gummiseils gestaltet eine Verknüpfung zwischen zwei
Menschen. Dank der etwas groben Bearbeitung, den intuitiven Formen und der fröhlichen
Farben wirken diese Werkzeuge alles andere als klinisch. Dennoch ist diese Art Hilfsmittel erst
einmal fremd, die Nutzung solcher Prothesen ungewohnt. Für ganz unsichere Interessierte
zeigen Fotografien die möglichen Anwendungen. Man kann sich spielerisch nähern und
unterschiedliche Abstände ausprobieren. Die körperliche Interaktion kann so zum Anlass einer
Konversation werden, man verbindet sich plötzlich Dank des Werkzeuges über mehr als ‚nur‘ das
Werkzeug im gemeinschaftlichen Experiment. Und selbst für Situationen ohne direktes
Gegenüber gibt es etwas im Sortiment, z. B. in einer Art Reifrock. In diesen steigt man hinein,
legt sich die neon-orangenen Gurte auf die Schulter. Ein Kranz aus bunten schlauch-artigen
Luftballons, die vom keramischen Gerüst abstehen, sorgt für die gewünschte Distanz. Mit der
Zeit werden diese Ballons ihre Luft und damit ihre Spannkraft und Länge verlieren. Mit diesem
Schrumpfen schrumpft auch der mögliche Abstand. Auch in dieser sich langsam vollziehenden
Veränderung zeigt sich symbolisch die seltsame Ambivalenz unserer Haltung der Monate in der
Pandemie. Zwar verliert das bunte Geschirr seinen primären Nutzen – aber dieser Verlust
signalisiert gleichzeitig den (Rück-)Gewinn. (Susanne Schwertfeger)
Handlungen ist ein grundsätzliches Kennzeichen der menschlichen Kultur. Jedes Zeitalter besitzt
typische Utensilien, deren Einsatz in direkter Beziehung zu relevanten Herausforderungen und
Entwicklungen steht. Auch für die Phase der Pandemie können wir solche Objekte identifizieren.
Dazu gehört nicht nur medizinisches Gerät, sondern auch Dinge, die uns im neu organisierenden
Alltag helfen können. Das Pandemische Werkzeug setzt genau in der sensiblen Zone der sozialen
Isolation an: Mit pastell-bunten Gerätschaften soll hier das scheinbar Unvereinbare, nämlich
Abstandhalten vs. körperliche Verbindung aufnehmen, ermöglicht werden. Je ein Griff an den
beiden Enden eines elastischen Gummiseils gestaltet eine Verknüpfung zwischen zwei
Menschen. Dank der etwas groben Bearbeitung, den intuitiven Formen und der fröhlichen
Farben wirken diese Werkzeuge alles andere als klinisch. Dennoch ist diese Art Hilfsmittel erst
einmal fremd, die Nutzung solcher Prothesen ungewohnt. Für ganz unsichere Interessierte
zeigen Fotografien die möglichen Anwendungen. Man kann sich spielerisch nähern und
unterschiedliche Abstände ausprobieren. Die körperliche Interaktion kann so zum Anlass einer
Konversation werden, man verbindet sich plötzlich Dank des Werkzeuges über mehr als ‚nur‘ das
Werkzeug im gemeinschaftlichen Experiment. Und selbst für Situationen ohne direktes
Gegenüber gibt es etwas im Sortiment, z. B. in einer Art Reifrock. In diesen steigt man hinein,
legt sich die neon-orangenen Gurte auf die Schulter. Ein Kranz aus bunten schlauch-artigen
Luftballons, die vom keramischen Gerüst abstehen, sorgt für die gewünschte Distanz. Mit der
Zeit werden diese Ballons ihre Luft und damit ihre Spannkraft und Länge verlieren. Mit diesem
Schrumpfen schrumpft auch der mögliche Abstand. Auch in dieser sich langsam vollziehenden
Veränderung zeigt sich symbolisch die seltsame Ambivalenz unserer Haltung der Monate in der
Pandemie. Zwar verliert das bunte Geschirr seinen primären Nutzen – aber dieser Verlust
signalisiert gleichzeitig den (Rück-)Gewinn. (Susanne Schwertfeger)
Als Rückbesinnung auf die Kindheit wirkt das Karussell auf uns als Spiel, Triebfeder und als Sehnsucht oder gar Sucht nach dem Risiko. Es wurde aber auch als Vorrichtung für militärische Übungen genutzt. In diesem Sinne entstanden Objekte aus unterschiedlichen Materialien, die u. a. durch den Einsatz von Motoren in Bewegung versetzt werden und ein Spannungsfeld zwischen Ernsthaftigkeit und Humor öffnen.
Wir ziehen uns an und aus und warten auf Entspannung.
Das Bild in unserem Ausweis denkt an bessere Tage.
Nun dauert das Hiersein schon gefühlte Lichtjahre.
Drehen am Navigator, kommt uns altmodisch vor.
Wie ein Elektorhase in antiker Vase. Das Vertrauen ist hin. Uns steht nach Flucht der Sinn.
Wir verlassen die Erde als enttäuschte Herde.
Eurer Selbstbewusstsein kann beschämend sein.
Wenn ich ganz ehrlich bin, das Finale in Wien in den eigenen Reihen, lud zum Fremdeln ein.
Sind wir noch Selbstvertoner oder schon Bildschirmschoner?
Alle Befindlichkeit nervt seit langem schon.
Dies ist ein Abschiedsgruß und kein Klingelton.
Wir verlassen die Erde als enttäuschte Herde.
Wir verlassen die Erde, auf das sie schöner werde.
Die goldenen Zitronen (2009)
Das Bild in unserem Ausweis denkt an bessere Tage.
Nun dauert das Hiersein schon gefühlte Lichtjahre.
Drehen am Navigator, kommt uns altmodisch vor.
Wie ein Elektorhase in antiker Vase. Das Vertrauen ist hin. Uns steht nach Flucht der Sinn.
Wir verlassen die Erde als enttäuschte Herde.
Eurer Selbstbewusstsein kann beschämend sein.
Wenn ich ganz ehrlich bin, das Finale in Wien in den eigenen Reihen, lud zum Fremdeln ein.
Sind wir noch Selbstvertoner oder schon Bildschirmschoner?
Alle Befindlichkeit nervt seit langem schon.
Dies ist ein Abschiedsgruß und kein Klingelton.
Wir verlassen die Erde als enttäuschte Herde.
Wir verlassen die Erde, auf das sie schöner werde.
Die goldenen Zitronen (2009)
In der Installation ICH-SYNTHESIZER ist es die Formensprache
der Abstraktion, mit der das
Rudimentäre
des Materials leise in den Vordergrund gespielt wird. Die Skulpturen sind mit einem Soundmix alltäglicher Geräusche unterlegt. So wird das Ensemble zu einem Zusammenspiel, das die abstrakte
Idee des Menschen als eine Art Klangtransformator
transportiert.
der Abstraktion, mit der das
Rudimentäre
des Materials leise in den Vordergrund gespielt wird. Die Skulpturen sind mit einem Soundmix alltäglicher Geräusche unterlegt. So wird das Ensemble zu einem Zusammenspiel, das die abstrakte
Idee des Menschen als eine Art Klangtransformator
transportiert.